Nach einer langen Reise über den TET (Trans-Euro-Trail) mit dem Motorrad bin ich endlich in schwedisch Lappland angekommen. An der Fjällstation Nikaltuluaka tausche ich als Fortbewegungsmittel das Motorrad gegen meine Füße ein.
Mit 25 – 30 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken geht es zu Fuß in Richtung Kebnekaise Fjällstation. Die gut 20 Kilometer lege ich gemütlich in fünf Stunden zurück. Schon vor einigen Jahren habe ich mir den Lagerplatz ausgesucht, den ich nun ansteuern werde. Es ist eine Wiese an einem kleinen Fluß im Tal südlich der Station. Doch zuerst ergänze ich meine Vorräte noch in der Fjällstation und dann gehts in 30 Minuten weiter zu meinem Lagerplatz.
Hier strecke ich mich erstmal im Schlafsack aus und genieße die warme Sonne.
Das Wetter ist perfekt für einen Mitternachtsflug und so beginne ich gegen 22:30 Uhr mit dem Aufstieg. Es geht über eine Hängebrücke, an ein paar Rentieren vorbei und bald befinde ich mich in leichtem Blockgelände im Aufstieg.
Um kurz vor eins erreiche ich eine gute Stelle um mit dem Gleitschirm zu starten. Kein Windhauch ist zu spüren und so lege ich den Glider auf einem kleinen Schneefeld aus. Nach ein paar Schritten bin ich in der Luft.
Midnightsun flight! Yeah!
Ich genieße den Flug und baue über meinem Zelt etwas Höhe mit einigen lustigen Manövern ab bevor der Glider sanft neben meinem Zelt aufsetzt. Ungefähr sieben Minuten dauerte der Flug, sieben Minuten die so viel für mich bedeuten. Nach all den Kilometern auf Schotter mit dem Motorrad, dem langen Marsch mit Gepäck, nun am ersten Abend mit so einem Erlebnis belohnt zu werden ist einfach toll.
Der nächste Tag weckt mich mit Sonne und etwas Wind. Für heute Abend steht wieder ein Flug auf dem Programm, vielleicht sogar vom Gipfel des Kebnekaise. Die Prognose sagt zwar zunehmenden Wind aus der falschen Richtung voraus, aber auf einen Versuch soll es ankommen.
Den Vormittag verbringe ich mit Regeneration, Körperpflege und der Reinigung meiner Ausrüstung. Es ist ein schönes Gefühl einfach mal in der Sonne zu liegen, ein Buch zu lesen und sich auf den abendlichen Aufstieg zu freuen. Das geht nur im Land der Mitternachtssonne.
Am späten Nachmittag gehe ich gemütlich los. Schon bald erreiche ich einen Flow und steige höher und höher. Zuerst über wegeloses Gelände und anschließend auf einer Trail – Autobahn in Richtung Gipfel. Viele Leute kommen mir entgegen, ich bin der einzige der sich noch im Aufstieg befindet.
Mein Weg führt über einen kleinen Gipfel, von hier müssen wieder einige hundert Meter abgestiegen werden um dann nochmal ca. 400 Höhenmeter bergauf zu gehen. Im Gesamten dürften es für mich heute so ungefähr 1600 Höhenmeter sein.
Noch unterhalb des Gipfels spüre ich wie der Wind zunimmt und zwar aus der komplett falschen Richtung. Mit dieser Windrichtung müsste ich nach Westen abfliegen, mein Lager steht allerdings im Tal auf der Südostseite. Keine große Lust auf einen langen Marsch heute Abend. Somit gehe ich nicht zum Gipfel, sondern mache an der Ostwand eine kleine Pause.
Nach der Pause bereite ich mich auf den Abstieg vor, dabei entdecke ich den Zustieg zu dem Klettersteig durch die Ostwand. Ist das vielleicht eine Chance nochmal in die Luft zu kommen? Wenn ich über die Ostwand absteige könnte ich von einem kleinen Vorgelagerten Rücken vielleicht Richtung Süden starten. Einen Versuch ist es wert.
Ich ziehe meine Steigeisen an und schon befinde ich mich in dem verschneiten Klettersteig. An einigen steilen Passagen sind zusätzlich Seile verbaut und so ist der Abstieg spannend, aber trotzdem „no big deal“. Über einen kleinen Gletscher geht es zu der vorgelagerten Kuppe von der ich starten will.
Oh je. Alles voller spitzer Steine und kein Schneefeld um den Glider abzulegen. Zudem ist der Wind irgendwie seltsam. Aber es könnte klappen. Vorsichtig lege ich das Tuch auf den Steinen aus und packe die Leinen darauf. Schnell ist das Gurtzeug angezogen und schon spüre ich den Wind. Ein vorsichtiger Versuch, der Gleitschirm hebt sich vom Boden. Jetzt bloß nicht mehr ablegen. Mit einigen großen Schritten bin ich in der Luft.
Mein Flug führt mich zuerst über die Kebnekaise Fjällstation. Die Luft fühlt sich etwas komisch an. Der Wind kommt eigentlich aus Westen, aber aus Osten ist so eine Art Talwind deutlich zu spüren und auf dem Grund herrscht ein leichter Bergwind, also auch wieder aus Osten. Aber ich fliege und das obwohl ich mich schon auf einen Abstieg zu Fuß eingestellt hatte, toll!
Nach fast 10 Minuten Flug setzt mein Glider wieder direkt an meinem Lager auf. Zufrieden schaue ich auf die Prognose für die nächsten Tage. Wind, Wind und nochmal Wind! Aber das ist mir egal, ich bin schon zum zweiten Mal geflogen und einfach zufrieden.
Der Wind entwickelt sich zum Sturm. An Gleitschirmfliegen ist da nicht mehr zu denken. Trotzdem will ich mir nicht die gute Laune verderben lassen und besteige noch einen kleinen Gipfel bevor es einen Tag später wieder in Richtung Motorrad gehen soll.
Auch dieser Tag bringt starken Wind. Somit fällt mir der Abschied vom meinem Basecamp auch nicht schwer und mit deutlich leichterem Rucksack sind die etwas über 20 Kilometer eine leichte Sache. Ich mache in jeder Stunde eine kurze Pause und so komme ich entspannt in der Fjällstation an.
Bevor es wieder auf die Reise geht gibts noch eine Dusche und am Abend bin ich schon wieder unterwegs in Richtung Süden.
Die nächsten Tage vergehen wie im Flug und ich fange schon nach tausend Kilometern an den hohen Norden zu vermissen. Mittelschweden kommt mir jetzt so dicht besiedelt vor, kaum zu glauben wie sich Eindrücke innerhalb von kurzer Zeit verändern können.
In den Norden zu kommen ist wie nach Hause zu kommen.
Danke für diese Tour!